Sonntag, 18.01.2015 Kyaikhtiyo-Pagode (Goldener Felsen)
Nach einer sehr unruhigen Nacht bin ich um 5.30 Uhr aufgestanden, noch bevor der Wecker läutete. Die ganze Nacht hindurch kam Kinpun nie zur Ruhe. Neue Pilger kamen mit Pickups und noch mehr fuhren wieder nach Hause. Die Fahrer hupten auch in der Nacht, um sich Platz zu verschaffen und die Fussgänger zu warnen, aber nicht weil sie ungeduldig waren.
Es war immer noch ganz dunkel und ich versuchte nicht noch mehr Lärm zu verursachen, damit Caterine noch etwas weiterdösen konnte, denn sie musste noch nicht aufstehen. Beim Frühstück gab es nur Kaffee oder heisses Wasser. Meinem Magen zuliebe bin ich nochmals ins Zimmer zurück gekehrt, um einen Teebeutel zu holen.
Um 6.30 Uhr marschierte ich in der Dämmerung los. Am Dorfende begegnedet ich den ersten Mönchen auf ihrem Rundgang Essen zu erbitten. Frauen standen bereit, um frisch gekochten Reis zu verteilen. Jetzt begann der lange Aufstieg, es warteten ca 1'100 Höhenmeter.
Bereits kamen mir die ersten Pilger entgegen. Min-ga-lar-bar (guten Morgen) ertönt es und ich grüßte zurück mit einem Lächeln und mit Min-ga-lar-bar. Die einten lächelten auch, andere sagten Hello, andere gaben mir die Hand. Sie kamen in Scharen den Berg hinunter.
Es bestand keine Gefahr, dass jemand auf dem Weg verdursten oder verhungern musste. Alle 50 bis 100 Meter kam ein Essens- oder Souvenierstand. Die Betreiber leben mit der ganzen Familie hier. Schon die jüngsten Kinder halfen mit, den Weg zu säubern. Der Abfall wird einfach über die nächste Böschung gekippt. Wie sieht es hier wohl in ein paar Jahren aus?
Der Weg hat viele lange Treppen die nahrhaft sind. Nach ca 1 1/2 Stunden war ich bereits durchgeschwitzt, obwohl die ersten Sonnstrahlen erst das Tal erreichten. Es war eine mystische Stimmung mit Nebelschwaden in den Tälern, die aber mehrheitlich von den vielen offenen Feuern kamen.
Der steile Aufstieg zerrte an meinen Kräften, aber ich fühlte mich fit genug um weiter zu gehen.
Es gab nur ganz selten einige Meter ohne Pilger, die auf dem Rückweg waren. Es wird geschätzt, dass am Wochenende bis 40'000 Pilger pro Tag das zweit wichtigste Heiligtum von Myanmar besuchen. Sie können auch in Massenunterkünften gratis übernachten, d.h. auf dem Boden schlafen und es gibt auch keine Duschen und WC's.
Bis jetzt empfand ich die Burmesen als sehr zurückhaltend und die Männer sahen oft sehr hart und grimmig aus. Dies änderte sich auf diesem Weg. Alle die ich trotz der Anstrengung anlächelte, lächelten zurück. Einige gaben mir eine Mandarine, andrer boten mir Getränke und Essen an. Ich war immer wieder tief gerührt von der Herzlichkeit, die mir alle paar Meter geschenkt wurde. Sie trug mich den Berg hinauf.
Es kam mir vor, als herrschte Einbahnverkehr und ich lief in die falsche Richtung. Ich schien die Attraktion zu sein. Es ist kein Pilgerweg der Ruhe, dafür der Herzlichkeit und der Fröhlichkeit.
Nach ca. 2 1/2 Stunden hatte ich einen herrlichen Blick ins Tal und war froh, dass jetzt der Weg nicht mehr so steil weiter ging.
Immer noch kamen mir unzählige Pilger entgegen und immer wieder mal nahm jemand meine Hand oder sie lächelten mich einfach an. Zum Glück trauten sich nur wenige, ein Foto mit mir zu machen, sonst wäre ich immer noch am laufen. Das Handy-Zeitalter hat in kurzer Zeit schon fast das ganze Land überschwemmt, obwohl das Internet sehr, sehr langsam ist und es auch immer wieder zu Stromunterbrüchen kommt.
All diese Begegnungen gaben mir die Kraft für die letzten Meter. So bin ich überglücklich oben angekommen, wo auch die Lastwagen die Pilger hochfahren, die nicht den beschwerlichen Aufstieg zu Fuss auf sich nehmen wollen oder können, so auch Caterine. Es war gerade 10 Uhr- ist Caterine auch schon hier? Jetzt msste ich nur noch das Mountain Top Hotel finden, wo wir uns verabredet hatten. Ein paar Meter weiter hörte ich Caterine mir zurufen. Ich war bereits am Hotel vorbei gelaufen.....
Ueberglücklich und voll von unzähligen Begegnungen während des Aufstiegs, nahm ich Caterine in die Arme und ein paar Tränen der Dankberkeit, liefen mir die Wagen hinunter.
Auf der Terrasse tranken wir Kaffee und Tee. Ich benutzte die Gelegenheit ein sauberes WC zu benutzen und machte mich wieder etwas frisch.
Gemeinsam lösten wir den Eintritt ($ 6 pro Person), den alle Langnasen bzw. Nicht-Buddhisten bezahlen müssen. Die Sonne brannte vom Himmel. Wir suchten immer wieder den Schatten, ruhten und beobachteten, so, wie auch wir beobachtet wurden. Die Speicherkarten unserer Fotoapparate füllten sich immer mehr.
Den goldenen Felsen sahen wir schon von weitem und jetzt standen wir direkt davor, neben und unter ihm. Wirklich beeindruckend, aber alle die herzlichen Begegnungen mit den Pilgern (Alter zwischen 11/12- und ca 80- jährig) übertrafen alles. Wir beobachteten wie Pilger unzählige Goldplättchen an den goldenen Felsen klebten- dies dürfen nur die Männer tun.
Die Pilger spannten Tücher und setzten sich in deren Schatten auf den Boden, um zu essen und ein Nickerchen zu halten. Das ganze Gelände gehört zum Heiligtum und man darf nur Barfuss gehen.
Uns lief der Schweiss nur so herunter bei über 30 Grad und immer wieder begegneten wir Frauen die einen Wintermantel und Wollmütze trugen. Es ist eben auch Winter hier ;-)
Ich war müde vom Aufstieg und wir suchten uns ein Restaurant mit Schatten um zu essen und auszuruhen. Eine feine Nudelsuppe mit Huhn und Tee gaben mir wieder Energie. Gemüse und Reis war für Caterine das Richtige. Es ist immer wieder erstaundlich in was für Küchen sie solch feines Essen zubereiten.
Wir machten uns auf den Rückweg und erkämpften uns einen Platz auf einem Laster. Ich kleterte auf der Seite hoch und Caterine folgte mir. Vom einstigen Einfluss der Engländer ist nichts mehr zu spüren. Obwohl um jeden Platz gerangelt wurde, gab es keine bösen Gesten oder Blicke höchstens ein Lächeln. Wohin sollte ich nur mit meinen Beinen? Irgendwie klemmte ich mich hinein und musste so die nächste Stunden überstehen, bis wir unten waren. Alle bezalten den selben Preis Kyat 2'500 ($ 2.5) pro Person, auch wir Langnasen, und bekamen 45 Minuten Chilbi. Im höllen Tempo gings den Berg hinab mit Zwischenstops, um die Bergauffahrenden Lastwagen zu kreuzen.
Zufrieden und heil kletterten wir vom Laster und freuten uns auf eine Dusche.
Beim Nachtessen haben wir unsere Erlebnisse an diesem Tag in aller Ruhe ausgetauscht. Es hatte um einiges weniger Menschen im Basislager als am Vorabend und es schallte nicht mehr aus allen Lautsprechern gleichzeitig. Wir hofften, dass es diese Nacht auf der Strasse etwas ruhiger wurde.
Todmüde und tief beeindruckt, von einem vorallem für Ueli sehr speziellen Tag, schliefen wir schnell ein.
Die Pilger-Fahrt von Caterine zum goldenen Felsen:
Zu gerne hätte ich diesen Pilgerweg zusammen mit Ueli gemacht, aber ich traute mir die 1000 m Höhendifferenz in 4 h nicht zu, zumal ich keine Ahnung vom Profil des Weges hatte. Wahrscheinlich hätte ich um 4 Uhr morgens mit den ersten Einheimischen starten müssen, damit ich vor der grossen Mittagshitze oben angekommen wäre- auch dies passte mir nicht, denn so vertraut fühlte ich mich hier nicht- im Gegenteil, ich hatte das Gefühl in einem alten Dokumentarfilm gelandet zu sein, irgendwo im Gebirge von Tibet. Also entschloss ich mich für die dritte Möglichkeit auf den Berg zu kommen. Um kurz vor 9 Uhr begab ich mich zur Haltestelle der Camions, die täglich pausenlos von 6- 18 Uhr, einer nach dem andern, beladen mit je ca. 40 Personen den Berg hoch fahren. Die Camions fahren erst los, wenn 3-4 gefüllt sind. Sie fahren hintereinander her, weil die Strasse stellenweise nur einspurig befahrbar ist und sie den Gegenverkehr abwarten müssen. Ich hatte grosses Glück und bekam den letzten Platz im letzten Camion eines Konvois. Nachdem auch ich bezahlt hatte, 2500 Kyats für Einheimische und Nicht- Buddhisten, zählte der Geldeinzieher nochmals nach, ob nicht mehr als 40 Personen im Wagen sassen. Es erstaunte mich, dass sie dies so genau nahmen. Man sitzt auf Bänken, die sogar einwenig gepolstert sind, ich hatte einen Platz am Rand bekommen und fühlte mich so recht wohl, denn ich war die einzige Langnase im Wagen. Die Fahrt sollte 1 Stunde dauern. Dann fuhren wir los, zuerst noch gemütlich ein Stück durchs Dorf und dann immer schneller den Berg hinan. Diese Camions sind sehr stark und ich musste mich mit beiden Händen festhalten. Der erste Zwischenhalt kam. Plötzlich fragte mich ein Mann über meine Schulter hinweg, von wo ich käme und suchte das Gespräch mit mir. Da er recht gut englisch sprach, konnten wir uns austauschen und so verkürzte sich für mich die Wartezeit angenehm. Er kam aus Hpa-An, wo wir auch noch hin wollten und er schwärmte von seiner Stadt. Einmal im Jahr mache er diese Reise zum goldenen Felsen mit einem Freund, dieser sässe gleich neben mir, aber er spreche kein englisch. Es sei sehr wichtig, dass er einmal im Jahr hierher komme, denn es sei für ihn die einzige Möglichkeit eines der 3 wichtigsten buddhistischen Zentren zu besuchen. Für nach Yangon oder Mandalay reiche sein Geld nicht, er sei Farmer. Dann brausten wir weiter auf der immer steiler werdenden Strasse. Nach etwa 45 Minuten hielten die Camions wieder und ich bemerkte, dass einige sich zum aussteigen bereit machten. Der Mann neben mir und sein Freund hinter mir ebenso. Ich fragte diesen, warum sie schon ausstiegen. Da meinte er, sie möchten das letzte Stück zu Fuß gehen und ob ich sie nicht begleiten wolle, es daure nur etwa eine Stunde. Ich schaute mir den Weg an, dann auf die Uhr... Das schaffte ich nicht, wenn ich vor oder gleichzeitig mit Ueli oben ankommen wollte. Also verabschiedeten wir uns und ich war um eine nette Begegnung reicher. Schnell wechselte ich das Gefährt, was mir mein Bekannter in letzter Sekunde noch zurief, denn dieser Wagen hatte hier Endstation. Ich musste auf den neuen Wagen hochklettern, weil sie die Einstiegstreppe schon weggenommen hatten- zur Belustigung der bereits sitzenden Weiterreisenden ;-). Ausserdem kostete die Weiterfahrt nochmals 500 Kyats, wohl als Strafe für die, die es sich zu einfach machen. Für mich war es Herausforderung genug gewesen, unter 40 Asiaten, die manche wohl auch aus entlegenen Gebieten Myanmars hierher kamen und noch nicht so viele Langnasen gesehen hatten, in diesem Camion in rasantem Tempo den Berg erklommen zu haben. Dann kam die Endstation. Nun war es nicht mehr weit, das wusste ich, aber den goldenen Felsen sah ich noch nicht. Das letzte Wegstück von vielleicht 15 Min. hätte man sich auch noch in einer Sänfte tragen lassen können. Ich sah ein paar ältere Menschen, die dies in Anspruch nahmen, darunter auch einen Mönch oder eine Grossmutter mit einem kleinen Kind im Arm und der Rest der Familie ging nebenher. Es gab soooo viel zu beobachten. Vor lauter schauen, hören, riechen... wäre ich noch fast am Mountain Top Hotel vorbei gegangen, wo ich auf der Terrasse mit Ueli ab 10 Uhr abgemacht hatte. Es war kurz nach 10 Uhr, ich entdeckte ihn noch nirgends und setzte mich einfach mal hin, um weiter dem Treiben der vielen Pilger zu zusehen. Dann bestellte ich einen Kaffee und plötzlich sah ich einen etwas abgekämpft wirkenden, geradeaus blickenden Ueli ein paar Meter neben mir vorbei gehen. Schnell rief ich ihm hinterher, aber er hörte mich wegen des relativ lauten Lärmpegels der Menschenmenge um uns herum erst beim dritten Mal. Wir freuten uns beide riesig über das Wiedersehen, als ob wir uns lange nicht gesehen hätten und umarmten uns innig. Es waren nur ein paar Stunden dazwischen gewesen, aber in dieser Zeit hatten wir beide einzeln und jeder auf seine Art eine eindrückliche lange Reise gemacht und konnten einander viel erzählen.