Mittwoch, 1. April 2015
Das Tageslicht drang heute dank den sehr hellen Vorhängen schon früh in unser Zimmer und ich war bereits um 06.20 Uhr wach, außergewöhnlich für mich. Die Sonne schien und es sah nach einem schönen Tag aus. Ueli war bereits auf und gegen 7 Uhr bereit für den ersten Kaffe auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich folgte ihm etwa 20 Min. später. Die Morgentemperatur draußen war noch angenehm, aber einiges wärmer als in den letzten Tagen im Hochland von Laos. Da wir heute einen Ganztagesausflug mit Booten und auf Velos vor hatten, hieß es, den Rucksack mit Wasser, Sonnencreme, Badetuch, Sonnenbrille und -hut zu packen. Das Mittagessen würden wir in einem einheimischen Restaurant auf einer der Insel, die wir heute im 4000 Inseln-Land des Mekongs besuchten einnehmen.
Um 8.30 Uhr waren alle startbereit. Zuerst fuhren wir auf einem mit Bretterbänken eingerichteten alten Motorboot weiter den Mekong herunter. Es war nicht ganz so bequem wie auf der Fahrt gestern ;-), wo das Boot mit originellen einzelnen Korbstühlen eingerichtet war. Heute konnten wir etwas näher am Ufer entlang fahren und das Leben der Fischer, Wasserbüffel und anderen Flussbewohnern beobachten. Nach etwa 1 1/2 Std. legte wir an der Insel Don Det an und verliessen unser Boot. Thomas wollte uns ein typisches Backpackerdorf auf der Insel zeigen. Dies ist nicht besonders sehenswert, aber Thomas versuchte uns aufzuzeigen, was die Einheimischen an den richtigen Backpackern nicht mögen.
Von hier aus ging es nun weiter per Velo, welche am Ende des Dorfes bereits für uns bereit standen. Bald schon kamen wir an einer Schule vorbei und machten Halt, um in den Unterricht zu schauen.
Wegen Lehrermangel unterrichtet diese Lehrerin gleich alle Schüler der 1.- 6. Primarklasse und wechselt immer wieder das Schulzimmer, um die Schüler des andern Klassenzimmers zu unterrichten und beschäftigen. Eine grosse Herausforderung für diese junge Frau. Wir staunen und bewundern, wie diszipliniert die Schüler alle sind und die Lehrerin sich aber auch Respekt verschafft durch klare Anweisungen. Wir übergaben der Lehrer
Nach unserer Inselerkundung per Velo, was großen Spaß gemacht hat, trotz größter Hitze (Abkühlung im Wasserfall, Mittagessen usw. folgt später) ließen wir unsere Velos um 15 Uhr an einer Bootsanlegestelle stehen. Sie würden später von Thomas organisiert per Pick-up abgeholt werden- was für ein Service! Wir wurden jetzt zu dritt auf kleine Fischerboote verladen und es ging los auf die Suche nach Flussdelfinen, die in dieser Gegend anzutreffen sind. Die Bootsführer wissen, wo die Delfine sich aufhalten, weil sie täglich mit Touristen hinausfahren. Schon nach kurzer Zeit stellten alle unsere 5 Bootsführer ihre Motoren ab und wenige Minuten später hörten wir das erste Ausblasen eines Delfins, bevor er kurz auftaucht, um Luft zu holen. Sie können bis zu 10 Minuten die Luft anhalten und unter Wasser bleiben. Wir hatten wirklich großes Glück, Ueli, Natascha und ich, denn wir waren mit unserm Boot am nächsten an den 3 Delfinen, die immer wieder kurz Luft holten. Wir sahen nur einen kleinen Teil der ganzen Tiere, aber es war trotzdem sehr aufregend, sie mit nur etwa 10 m Abstand zu beobachten. Gerne wären wir noch länger dort geblieben und hätten die Gruppe weiter beobachtet, aber die andern Bootsführer starteten ihre Motoren und das hiess auch für uns, weiter fahren zu müssen, weil wir ja mit der Gruppe unterwegs waren. Sie führen uns auf die kambodschanische Seite des Mekong-Flusses. Thomas hatte dort für 2 $ pro Person ein "Visum" für uns bekommen. Von hier aus könnte man um diese Zeit meistens auch noch Delfine beobachten. Der Grund, warum Thomas uns noch hierher führte, war aber ein anderer...
Ein toter Flussdelfin wurde heute Morgen hier am Ufer angeschwemmt gefunden. Er war 2.40 m lang und wog 232 Kg. In Kambodscha ist der Delfin heilig und diese Irrawady-Flussdelfine sind geschützt, da sie massiv vom Aussterben bedroht sind. Es gibt im Mekong 3 Gebiete, wo sie heute noch Leben. Über ihre Zahl gehen die Meinungen stark auseinander. Laut der Tierschutzorganisation WWF sind es noch 60 Stück, die Einheimischen reden von 150.
Wir fanden den Delfin aufgebahrt unter einem weißen Tuch in der offenen Versammlunghalle des dortigen Dorfes. Viele Leute, kleine, grosse, junge und alte waren bereits versammelt. Thomas kennt den Dorfchef gut und wusste von ihm, dass nun bald eine Zeremonie für den toten Delfin abgehalten werden sollte. Man wartete nur noch auf die Leute vom WWF, denen dieser Todesfall gemeldet worden war. Sie werden das Tier und die Todesursache untersuchen. Dann kam ein weißes Auto angefahren und wir dachten schon, das wären nun die Männer vom WWF, aber es stiegen 4 Mönche aus, die es für die Zeremonie auch brauchte. Nach weiteren etwas bedrückenden Minuten des Wartens fuhr ein weiterer weißer Wagen heran, diesmal wirklich mit WWF Aufschrift. Es fanden zahlreiche Begrüßungen statt und alle warteten geduldig bis Vertreter vom WWF und wichtige Männer aus der Dorfgemeinschaft sich den 4 wartenden Mönchen gegenübersetzten und die Gedenkzeremonie zu Ehren des toten Delfins beginnen konnte. Es war für uns alle sehr beeindruckend, dies miterleben zu dürfen- für mich besonders die Anteilnahme der Dorfbewohner und die Ernsthaftigkeit, mit der diesem toten heiligen Tier Ehre erwiesen wurde.
Die Zeremonie hätte für einen Menschen nicht ergreifender sein können.
Unerwarteterweise wurde nach Beendigung der Zeremonie das tote Tier sofort abgedeckt und alle drängten sich, es anzuschauen- auch wir- und Fotos zu machen. Erst nachträglich wurde mir bewusst, wie seltsam dies eigentlich war, es zerstörte die ganze Magie des vorher erlebten.
Die Männer vom WWF untersuchten den Delfin sehr genau und dokumentierten alles fotografisch.
Anschliessend luden einige Männer wie Grenzwächter, Einheimische und WWF-Mitarbeiter zusammen den Delfin auf den WWF-Pickup, kein einfaches Unterfangen, wenn man das Gewicht
des Tieres bedenkt! Er wird, vermutlich in der Hauptstadt, wie ein Mensch beerdigt werden, mit weitern Zeremonien und vielen trauernden Menschen. Heute Abend haben wir noch erfahren, dass der Delfin in einem Fischernetzt hängen geblieben war und erstickt ist- wie aus seinen Verletzungen zu schliessen war. Eine grässliche Vorstellung... Es tut uns sehr Leid und die erste Reaktion war, dass man das Fischen mit Netzen in den Delfingebieten verbieten sollte. Damit nimmt man aber vielen Familien, ganzen Dorfgemeinschaften in denselben Gebieten ihre Nahrungsgrundlage und es gibt für sie keine Alternative. Oder vielleicht doch? Gibt es keine Lösung das Leben von Mensch und Tier nebeneinander zu erhalten? Da könnte man lange darüber diskutieren. Ich hoffe auf Ideen und Zusammenarbeit aus beiden Lagern- Entwickungshilfe- und Tierschutzorganisationen :-)
Schweigend und tief beeindruckt vom eben Erlebten tuckerten wir mit unsern Booten zurück an die laotische Küste. Wir hatten heute etwas sehr Trauriges und zum Glück Seltenes erlebt. Es wird mir als wohl speziellste und bewegendste Erfahrung in Laos in Erinnerung bleiben und mich noch länger immer mal wieder beschäftigen.