Samstag, 31.01.2015
(Fotos Teil 1)
Wieder wurden wir um 8.30 Uhr von unserm einheimischen Guide und seinem Fahrer vor dem Hotel erwartet und waren gespannt, ob er heute etwas gesprächiger war und wir doch noch mehr über Bagan erfahren würden, als gestern. Sein Englisch ist schlecht, er macht praktisch keine ganzen Sätze und antwortet nur knapp, wenn wir etwas fragen. Wir waren enttäuscht, denn nur, um uns herumzuführen brauchten wir ihn nicht. Zum Glück hatten wir bereits selber einiges über Bagan und diese überdimensionale Tempelanlage gelesen.
Bagan ist ein 40 Quadrat-km grosses Tempelareal mit inzwischen gegen 3000 aufgelisteten kleinern und grössern Tempeln aus dem 11.- 13. Jh. und es werden noch weitere ausgegraben. Es ist vergleichbar mit den Angkor Tempelanlagen in Kambodscha und ebenso eindrücklich. Auch diese Königsstadt ist einerseits Ausdruck der Wichtigkeit des Glaubens (durch den Bau eines Tempels erlangte man gutes Karma für das nächste Leben), andererseits aber ebenso des Größenwahns dieser Herrscher.
Der Aufstieg Bagans begann während der Regierungszeit von König Anawrahta (reg. 1044- 1077). Unter ihm begann ein Bauboom von religiösen Stätten, die alle seine 12 Nachfolger bis Ende des 13. Jh. weiterführten. Es gibt 3 Hauptbauphasen, die man an Hand der Tempel- und Pagodenbauweise und am Typ des Zedis unterscheiden kann. Die frühen Buddhafiguren sind aus Holzgefertigt, lackiert und vergoldet, die späteren aus Bronze gegossen und vergoldet. In etwa 350 Tempeln findet man auch teilweise noch recht gut erhaltene Wandmalereien. Es werden v.a. die 28 bisher erschienenen Buddhas dargestellt, Szenen aus dem Leben des letzten Buddhas, Gautama Buddha, bis zu seinem Tod, aber auch seine Lehren, wie ein gutes Leben geführt wird.
Der Untergang Bagans begann bereit nach etwa 250 Jahren. Durch zuviele Schenkungen von Land an Buddhistische Klöster sanken die Steuereinnahmen drastisch und auch die Anbauflächen für Reis wurden Von den Steuern befreit. Die kostspieligen Tempelbauten führten zur Erschöpfung von Arbeitskräften, die an anderer Stelle fehlten.
Der Name Bagan leitet sich vemutlich von Pyu gama, Pukam, "Siedlung der Pyu" ab, die schon seit Mitte des 9. Jh. n. Chr. dort ihr Königreich errichtet hatten. Die Briten führten die Schreibweise Pagan ein und seit 1989 wird Bagan geschrieben, da es so ausgesprochen wird.
Bagan hat heute 3 Stadtteile: Nyaung U ist das wirtschaftliche Zentrum, wo sich auch der Flughafen befindet. Etwa 5 km südlich liegt das ehemalige politische Zentrum Myanmars, Alt Bagan genannt. Dort liegen die wichtigsten Tempelanlagen und man findet noch traditionelle Bambushäuser. Es leben heute nicht mehr viele Menschen dort. In einer umstrittenen Zwangsumsiedlung wurden im Jahre 1990 die meisten Bewohner in das 4 km weiter südlich gelegene Neu- Bagan verpflanzt. Neu Bagan ist heute eine lebendige kleine Stadt, in der alles auf den Tourismus ausgerichtet ist. Die meisten Hotels liegen auch dort.
Wir fuhren also los und unser Guide wollte uns als erstes etwas Besonderes zeigen. Bereits nach wenigen Minuten hielten wir bei der Shit-Nyatana-Pagode, wo bereits eine große Menschenmenge versammelt war. Die Pagode schien gerade renoviert zu werden, denn alle Zedis waren von einem Bambusgerüst umgeben und noch ohne Schirme. Erst jetzt hatten wir herausgefunden, dass in Myanmar die Stupas Zedi genannt werden- Stupa heisst dieser Teil der Pagode in Indien. Unser Guide gab uns zu verstehen, dass hier heute die Zeremonie stattfand, bei der die Schirme in einem kleinen Wagen hochgezogen wurden. Er führte uns mitten hinein in die Menge der vielen Menschen, die hier teilnahmen. Wieder waren alle dabei, vom Baby bis zu den Grosseltern, vom Fischer bis zu den Mönchen und Nonnen. Wir hatten Glück, denn die Zeremonie begann gerade und wir standen mitten drinn. Zuerst trugen diejenigen, die die Schirme gespendet hatten diese in einer Parade stolz zweimal rund um die Pagode an uns vorbei, begleitet von einer Band. Solche Spenden werden gemacht, weil die Buddhisten glauben, dass durch diese gute Tat ihr Karma sich bessert und sie es so im nächsten Leben besser haben würden. Deshalb spenden alle, auch oder gerade die Ärmsten, so oft und soviel sie können. Reiche Leute spenden viel bis sehr viel und haben dadurch und mit diesem Hintergrund in der Gemeinschaft ein grosses Ansehen. Bei dieser Zeremonie verteilen die Zedi-Spender aber doch auch noch Geld, indem sie es während des Aufzugs des Zedischirms von der Pagode herunter werfen und die Menschen in der Menge es auffangen können. Ich beobachtete dabei einmal mehr, dass man teilen kann, wie man will, es wird immer solche haben, die mehr bekommen. Einige Clevere fingen das Geld mit einem Trichter an einer langen Bambusstange auf, die sie so hoch als möglich hinauf hielten. Von außen gesehen stellt sich die Frage, warum wird soviel Geld für den Unterhalt der unzähligen Pagoden investiert wird, wo es im ganzen Land an allen Ecken an Geld fehlt.
Die Parade ging weiter. Hinter den Spendern folgten die jungen Leute, die den alten Königshof darstellen in ihren farbigen, edlen Kleidern. Die goldenen Schirme wurden anschliessend zum Wagen gebracht, auf dem zuerst der größte der Schirme, zerlegt in einzelne Teile, hochgefahren wurde bevor die kleineren Schirme folgten. Das ganze ist immer von lauter Musik und Lärm der Menschenmenge begleitet. Ein wahres Dorffest, es sollte noch den ganzen Tag dauern.
Nun war der Wagen bereit, mit dem untersten Teil des grössten Zedi-Schirmes hochgefahren zu werden. Unser Guide hatte uns ganz nah zum Wagen gebracht und deutete uns, wir sollten am Seil festhalten und auch helfen, den Wagen hinauf zu ziehen. Und los ging's. Die Freude und Aufregung der Menschenmenge ging auf uns über, wir waren mittendrin. Das Ereignis wurde sogar von einem einheimischen Fernsehteam ganz in unserer Nähe aufgenommen. Der Wagen war schnell oben, bei der Beteiligung von so vielen Leuten und wurde von den Spendern und Mönchen, die bereits vorher auf die Pagode hinauf geklettert waren in Empfang genommen und dem Zedi aufgesetzt. So würde es nun weitergehen, bis alle Schirme oben sind. Wir aber machten uns wieder auf den Weg, um diesen Tag zu nutzen, möglichst viel von Bagan und seinen uralten Heiligtümern zu sehen. Morgen schon würden wir zurück nach Yangon fliegen, um gleich weiter in südwestliche Richtung ans Meer zu fahren.
(Fotos Teil 2)
Als Nächstes besuchten wir einen einheimischen Markt in Alt Bagan. Wieder waren wir überwältigt von der Vielfalt und Menge an schönem, frischem Gemüse, auf den Fotos Bambus, lustige Kartoffelsorten, Zwiebel und Knoblauch, Knoblauch und nochmals Knoblauch und feinen Ginger, etliche Sorten Reis und frische Fische aus dem Ayeyarwaddhi Fluss. Früchte gab es hier auffallend wenig verschiedene, dafür viiiiiele Bananen und grüne Kokosnüsse, deren Fruchtwasser man trinkt, wir beide aber nicht so gerne mögen. Am Rand des Marktes sassen 2 Mütter mit kleinen Kindern am Boden und bettelten- auch dies ein Bild, dass man nicht so schnell vergisst. Dazu konnte unser Guide endlich einmal ein paar Worte sagen. Diese Bettler sind nicht unbedingt ganz arme Leute, wie es aussieht. Es ist auch ein ungeschriebenes Gesetz, dass jede Familie, der es finanziell besser geht, einmal im Jahr eine Woche lang betteln geht und das gesammelte Geld dann für die Armen spendet. Wenn das stimmt, ist es ein schöner, sinnvoller Brauch. So vergisst man auch nicht, was es heisst, nichts zu besitzen oder ist dankbarer dafür, es heute besser zu haben.
Weiter ging es zur Shwezigon Pagode im Stadtteil Nyaung U. Sie zählt zu den Meisterwerken Bagan und ihr Baubeginn war 1059 n. Chr. Erstmals wurde hier ein Zedi in einem eigenständigen birmanischen Stil erbaut. Er misst in Höhe und Breite 49 m, wirkt dadurch sehr massiv und hat auf allen 4 Seiten Treppenaufgänge zu den 3 sich verjüngenden Terrassen. Ein weiterer eindrücklicher Bau, fanden wir. Auch hier trafen wir auf eine Atr Zeremonie. Hübsch gekleidete junge Frauen standen in einer langen Einnerreihe an, um von einem höhern Mönch oder Priester Geld in Empfang zu nehmen. Ehrfürchtig verbeugten sie sich zum Dank. Wir erfuhren, dass es Studentinnen sind, die jede 2000 Kyats (2 $) von einem Spender bekommt. Derselbe Spender liess an diesem Tag auch Wasser und gekochten Reis in allen grössern Pagoden des Landes verteilen. Auch wir bekamen 2 Flaschen Wasser. Das fanden wir sehr nett, bekamen den Herrn aber leider nicht zu Gesicht.
In Alt-Bagan liegt der Ananda Tempel, den wir als letzten an diesem Morgen besuchten. König Kyanzittha (1084- 1112 n. Chr.) stiftete ihn und nannte ihn nach einem der Attribute Buddhas "unendliche Weisheit, Ananda". Er wurde ca. 1090 n. Chr. fertiggestellt und bis in die jüngste Vergangenheit vielfach kopiert. Der Tempel ist sehr gross, 91 m in Länge und Breite seine Spitze liegt in 51m Höhe. Auch hier finden wir 4 Eingänge an deren Korridorenden ca. 10 m hohe Buddhafiguren stehen. Alle Figuren sind aus Holz geschnitzt und mit Lack bemalt, bevor sie vergoldet wurden. Nur noch 2 davon sind Originale aus dem ausgehenden 11. Jh. Die beiden anderen wurden vermutlich durch eine Feuersbrunst zerstört und um 1800 n. Chr. herum nach dem Vorbild der Originale wieder hergestellt. Sie sind unglaublich beeindruckend und schön, wenn man unter ihnen steht. Es wirkt, als würden ihre Augen einem folgen, wenn man auf sie zugeht. Der Mund lächelt einen von weitem an und schliesst sich, wenn man näher kommt. Ich hätte stundenlang stehenbleiben mögen.
Es sind großangelegte Renovationsarbeiten im Gange, weil man unter den 3 oder 4 Farbschichten v.a. im Innern wunderbare alte Malereien aus dem 11. und 12. Jahrhundert gefunden hat. Auch das Äussere des Tempels wird heruntergeputzt und was hervorkommt ist so schön, dass wir wieder aus dem Staunen nicht heraus kamen. Wir setzten uns eine Weile auf eine Bank im Schatten und ließen das imposante Bauwerk auch von aussen auf uns wirken. Immer wieder versuchten wir uns vorzustellen, wieviele Menschen in Schwerstarbeit diese Wunderwerke erbauten- unglaublich....
(Fotos Teil 3)
Nach einer etwa 1 1/2 stündigen Mittagspause und etwas Ausruhen, holte unser Guide, dessen Namen wir uns beide beim besten Willen nicht merken konnten, uns wieder ab und fuhr mit uns zum Ayeyarwady-Fluss. Dort bestiegen wir ein Boot, das uns flussaufwärts fuhr. Es war eine friedliche Fahrt, auf der wir wieder das Leben am Fluss beobachten konnten. Aber wir bemerkten auch das Abwasser, das direkt in den Fluss lief oder immer wieder Berge von Abfall am Ufer und die Dreckwolken, die aus den Schornsteinen der Lastschiffe vor und neben uns pufften.
Nach etwa einer Stunde Fahrt legten wir am Ufer an, wo uns ein älterer Mann erwartete und noch zu einem letzten Tempel führen sollte. Auf dem Weg zeigte dieser uns seine kleine Erdnussplantage und ich war begeistert, diese feinen Dinger in der Natur wachsen zu sehen.
Eine Viertelstunde später gelangten wir zum Kyaukgu Umin Tempel. Dieser ist ganz aus Ziegelstein gebaut und wird dem ausgehenden 11. Jh. zugeordnet. Die auch wieder wunderschöne sitzende Buddhafigur ist beeindruckende 6.50 m hoch und ganz aus Stein gemeisselt. Zu beiden Seiten des Buddhas führen Höhlengänge in den Berg hinein. Unser Guide meinte, wir sollten ruhig in die Höhlengänge hinein gehen, es gäbe aber nichts besonderes zu sehen, er warte inzwischen draussen ;-).... Mutig folgten wir den kleinen Lampen. Nach ein paar Minuten verzeigte sich der Gang, wir gingen neugierig nach rechts weiter. Wieder einige Minuten später endete der Gang in einer Art Kammer, in der sich aber nichts befand. Wir zuckten beide die Schultern und machten uns auf den Rückweg. Das war nun wirklich nichts Besonderes. Erst als wir am Abend in unserm Reiseführer nachlasen, begriffen wir, dass dies das anscheinend schönste Beispiel einer Meditationshöhle gewesen war. Soviel zur Motivation unseres Guides, uns Besonderheiten zu erläutern. Wir sind nie richtig warm geworden mit ihm, nicht nur wegen seiner spärlichen Englischkenntnisse, die Chemie stimmte wohl einfach nicht. Nun fuhren wir mit unserm lauten Motorboot wieder den Ayeyarwady zurück, bzw. hinunter, um zum Abschluss den Sonnenuntergang mit den Bagantempeln vom Fluss aus zu erleben. Das Resultat seht ihr auf Uelis Bildern. Es war wirklich wieder ein unglaublich schöner Sonnenuntergang mit diesem Hintergrund. Da diese Bilder fast nicht zu steigern sind, hat Ueli beschlossen, er fotografiere vorläufig keinen Sonnenuntergang mehr- auch um euch nicht plötzlich zu langweilen ;-)....
Da unser Guide selber auch fotografierte, zeigte Ueli ihm seine Bilder und siehe da- plötzlich zeigte dieser Mensch Emotionen, flippte fast aus vor Freude und gratulierte Ueli zu diesen Fotos. Er habe es schon viele Mal von hier aus versucht, aber so ein schönes Bild sei ihm noch nie gelungen. Er sah noch ganz nett aus, wie er da so fröhlich lachte. Schade, war es ihm nicht früher möglich gewesen.
Heute gingen wir früh schlafen, denn morgen erwartete uns ein sehr langer Tag, der Flug nach Yangon und dann die 5-6 stündige Autofahrt ans Meer im Westen von Myanmar. Wie jeden Abend ging ich während dem Einschlafen in Gedanken die Erlebnisse des Tages durch, das hilft mir bei der Verarbeitung der vielen Eindrücke. Es wurde mir auch klar, dass ich froh und dankbar bin, dass auf unserer Reise durch Myanmar alles geklappt hat und wir, ausser einer etwas lästigen Erkältung und der kurzen Magen-Darmgeschichte von Ueli in Bago, gesund und zufrieden sind.